Stress im Arbeitsleben kennt fast jeder. Viele meiner Kunden haben Themen, die mit Stress verbunden sind. Ob ein Mensch eine bestimmte Situation als Belastung erlebt, hängt in hohem Masse davon ab, wie er einerseits die Situation und andererseits seine Möglichkeiten bewertet, die Situation zu bewältigen. In diesem Blog möchte ich auf diese „Mode-Erscheinung“ Stress eingehen, um Bewusstsein darüber zu erzeugen, was das für den Einzelnen heissen könnte. Ich werde erläutern, was unsere üblichen Stress-Reaktionen sind und vor allem möchte ich Licht darauf werfen, welche einfachen, aber effektiven Stress-Bewältigungs-Möglichkeiten es für den Einzelnen gibt, um eine motivierte, schwungvolle Haltung am Arbeitsplatz zu bewahren, zu fördern oder auch zurückzugewinnen und so ein Gefühl von im Gleichgewicht sein zu kreieren. Obwohl ich mich in diesem Blog auf den betrieblichen Zusammenhang beschränke, möchte ich hier nochmals betonen, dass der Mitarbeiter immer auch Mensch ist, der auch private Herausforderungen mit sich trägt und Stressoren sich untereinander verstärken können.

Was ist Stress?

Stress äussert sich auf verschiedenen Ebenen. Je nach Situation, Anforderung und Ressourcenlage erleben wir dies als aktivierend oder lähmend. Wir spüren den Stress nicht nur auf körperlicher Ebene, sondern auch in unseren Gedanken und Gefühlen, was sich wiederum in unseren Handlungen und unserem Verhalten auswirkt und bemerkbar macht. Tatsache ist, dass wir Stress erfahren, wenn es Veränderungen gibt bzw. bereits, wenn diese angekündigt werden und wir uns mit Herausforderungen konfrontiert sehen. Im Generellen ist Stress nicht unbedingt eine schlechte Reaktion auf eine Gegebenheit, sondern wir können durch ihn auch zu Bestleistungen motiviert werden und uns so weiterentwickeln, besser werden, über uns hinauswachsen. Wenn der Stress langfristig negativ ist und wir nicht bewusst und effektiv etwas für unser Wohlbefinden unternehmen, können sich die Beschwerden verschlimmern und Krankheiten auslösen.

Was sind Stressoren?

Stressoren sind innere und äussere Anforderungen oder Reize, die Stresssituationen und -reaktionen auslösen können. Das können verschiedene Ereignisse sein, von traumatischen Erlebnissen bis zu kleinen Aufregungen aus dem Berufsalltag wie das Streiken des Laptops oder der Verlust seines Badges oder Büroschlüssels. Stressoren können in allen Lebensbereichen auftreten und werden in mentale und emotionale, soziale oder physikalische Stressoren eingeteilt. In den beruflichen Lebensbereich gehören zum Beispiel Zeit- und Termindruck, Leistungsdruck, Versagensängste, Verantwortung, Konkurrenzprobleme, Kommunikationsschwierigkeiten, Missverständnisse, der Rolle nicht gewachsen sein, Personalmangel, problematische Verhältnisse zu Vorgesetzten oder Mitarbeitern, Angst vor Arbeitsplatzverlust bei Umstrukturierungen, Über- und Unterforderung, Mobbing, Präsentationen, Lärmbelastung im Grossraumbüro oder Homeoffice, uvm. Stressoren in anderen Lebensbereichen wie z.B. Familie, Freizeit, Gesundheit usw. wirken sich auch auf den Mitarbeiter und seine Leistung aus.

Übliche Stressreaktion – wie läuft diese ab?

Unser Organismus bewertet die auf ihn einwirkenden Stressoren als positiv oder negativ, sodass in diesem Zusammenhang von positivem Stress (Eustress) und negativem Stress (Distress) gesprochen wird. Alles, was nützlich oder angenehm ist, wird positiv, alles was bedrohlich oder überfordernd ist, wird als negativ bewertet und eingeordnet. Da die Stressbewertung in Abhängigkeit von der persönlichen Erfahrung, der Konstitution und der Verfügbarkeit von Bewältigungsstrategien stark variiert, werden ganz unterschiedliche Belastungen als Stressoren erlebt. Im nachfolgenden wird zwischen akuter und chronischer Stress-Reaktion unterschieden:

  • Akuter Stress – Kampf- oder Flucht-Reaktion: Die grundlegenden Reaktionsmuster, die tief in unseren Genen verwurzelt sind, sind Kampf oder Flucht. Dabei werden vom Körper Stresshormone ausgeschüttet und Energie bereitgestellt. Wenn der akute Stress vorbei ist, werden die Stresshormone abgebaut und der Körper regeneriert sich wieder.
  • Chronischer Stress – Frustration oder Aggression: Oft verbrauchen wir die vom Körper bereitgestellte Energie nicht, ausser wir reagieren uns durch körperliche Aktivität wie z.b. Sport ab. Sport hilft beim Stressabbau, weil er physiologisch gesehen den beiden Kampf- oder Flucht-Reaktionen gleicht. Meist halten wir die alltäglichen Stresssituationen aus, regen uns innerlich richtig auf, verharren aber auf dem Bürostuhl und unterdrücken unsere Stressreaktion. Oder aber wir flippen irgendwann richtig aus und sagen Dinge, die wir so nicht beabsichtigt hatten, was ebenfalls weitere Konsequenzen mit sich bringt. Gönnen wir uns keine Erholungsphasen, wird unsere Haut immer „dünner“, sodass bald schon schwächste Stressreize ausreichen können und uns an unsere Grenzen bringen. Wir sind nicht mehr in der Lage, zwischen harmlosen und gefährlichen Reizen zu unterscheiden. Sind die Belastungsgrenzen des Körpers über längere Zeit überschritten, enden wir in der Erschöpfung.

Übliche Stresssymptome

  • Körperliche Ebene: Müdigkeit, Gereiztheit, Unruhe, anhaltende körperliche Anspannungen, Atemschwierigkeiten oder flachere Atmung, Schlafschwierigkeiten, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Übelkeit oder Schwindelgefühl
  • Gefühls-Ebene: Unsicherheit, Nervosität, Hilflosigkeit, Leere, Minderwertigkeitsgefühle, Angstgefühle oder Panikattacken
  • Gedankliche Ebene: Konzentrations- und/oder Erinnerungsschwierigkeiten, Leere im Kopf, Blackout, aber auch kreisende Gedanken, unkoordiniertes Arbeiten, fehlender Fokus, Nachlassen des Interesses an täglichen Aktivitäten

Handlungsmöglichkeiten für Führungspersonen

  • Proaktive Kommunikation: mit Offenheit Anzeichen von Stress mit dem Mitarbeiter besprechen, Handlungs-Möglichkeiten zusammen erörtern
  • Konstruktives Feedback: beim Mitarbeiter Stressbewusstsein schaffen und fördern, punktuell Gespräche suchen, situativ und individuell auf den Mitarbeiter eingehen, bewusste Anweisung für Erholung zum Beispiel im Bezug zum Feierabend, zu den Wochenenden und Ferien, keine arbeitsbezogenen Emails, Nachrichten, Anforderungen
  • Coaching-Gespräche anbieten: intern oder extern
  • Ermutigung des Mitarbeiters zur Teilnahme an Stressmanagement-, Timemanagement-, oder Wohlfühlprogrammen

Selbsthilfe-Tipps für Mitarbeiter

  • Stressbewusstsein schaffen: Stressbeobachtung, Tagebuch führen, um herauszufinden, welche Situationen den meisten Stress verursachen
  • Konstruktive, anspornende und handlungsorientierte Selbstgespräche üben
  • Ungesunde Bewältigungsstrategien identifizieren: z. B. übermässigen Koffeinkonsum und Rauchen gegen gesündere Massnahmen austauschen
  • Zeit für wohltuende Aktivitäten: Im Terminkalender Platz für Aktivitäten schaffen, die gut tun und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben gewährleisten
  • Timemanagement: Identifizieren, wieviel Zeit man wo zur Verfügung hat bzw. haben möchte, bewusst Ja- und bewusst Neinsagen lernen
  • Soziale Kontakte pflegen, Fremdwahrnehmungen einholen und mit der Selbstwahrnehmung querchecken
  • Coaching-Gespräche in Anspruch nehmen, um mit externer Hilfe blinde Bereiche zu beleuchten und die eigene Handlungsfähigkeit zu boosten

Fazit

Stress will keiner wirklich, aber fast jeder empfindet ihn. Ein gewisses Mass an Stress ist positiv und hilft uns, konzentriert zu bleiben, unser Bestes zu geben und unsere Ziele zu erreichen. Ein über einen längeren Zeitraum überhöhtes Stressniveau kann unser körperliches und geistiges Wohlbefinden beeinträchtigen. Ob die Belastungen des Alltags uns krank machen, haben wir zu einem grossen Teil selbst in der Hand. Wir können etwas tun, indem wir unsere Einstellung gegenüber Stress ändern und unseren Lebensstil bewusst anpassen. Solche Veränderungen brauchen Wissen, Klarheit und leicht umsetzbare Konzepte, bei denen wir spüren, dass sie uns helfen und guttun.

Quellenangaben:

– Asgodom, S., 12 Schlüssel zur Gelassenheit, Goldmann Verlag, 2008
– Reif J., Spiess E., Stadler P., Effektiver Umgang mit Stress – Gesundheitsmanagement im Beruf, Springer Berlin, 2018

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Die Autorin

Name: Miriam Singh

Beruf: Dozentin, Betriebliche Mentorin, Dipl. Mental Coach, Mentaltrainerin, Ingenieurin

Website: miriamsingh.ch

Motto: «Das Leben findet JETZT statt!»

Ausbildner in: Zertifikat Mentales Training im SportDiplom Mental Coach, Diplom Autogenes Training

Zwei Herzen schlagen in ihrer Brust, das eine für den Menschen in seiner Ganzheit, das andere für die Wissenschaft. Miriam Singh hat als Ingenieurin in der Privatwirtschaft in den letzten 15 Jahren viele herausfordernde Situationen im Berufsalltag erlebt und gesehen. Dies und die vielen Weiterbildungen und Erfahrungen in den Bereichen Mentaltraining, Coaching, Autogenes Training, Yoga und Meditation haben sie befähigt, ihre eigenen Grenzen immer weiter zu erforschen und auszudehnen. Diese Erfahrungen und dieses Wissen mit ihren fachlichen und methodischen Kompetenzen den Menschen zu vermitteln und sie bei der Erreichung ihrer Ziele und in ihrem Potential zu fördern, begeistert Miriam Singh. Ihre Stärken sind das bewusste Wahrnehmen, das lösungs- und ressourcenorientierte Entwickeln, und die Prozessführung.