Gerade eben durfte ich zwei Modul-Tage zum Diplom Mental Coach leiten und wen überrascht es, dass auch Corona ein Thema war. Die Teilnehmer berichteten von Erlebnissen aus Ihrem Alltag, von Anfeindungen innerhalb der Familie, bei Freunden, in der Firma, usw. ob man jetzt eher im Pro- oder Contra-Lager der Diskussionen zu Hause war, spielte dabei keine Rolle. Gleichzeitig stellten sie fest, dass sie seit Beginn der Ausbildung, viel mehr Klarheit und Bewusstheit in ihrem Leben feststellen. Wir gingen dieser Tatsache zusammen auf den Grund und gerne nehme ich Sie als Leser mit auf diese Reise.

Was braucht es denn von einem Menschen, um mit den Herausforderungen des Lebens klarzukommen? Oder was braucht es, um vielleicht mit dem Leben nicht nur klarzukommen, sondern es selbst so zu gestalten, wie es für uns stimmig und lebenswert ist. Im Fachjargon spricht man dabei von einem Selbstbestimmten Leben. Wenn wir im Mental Coaching mit Klienten arbeiten, schauen wir auf folgende Faktoren:

  • Alltagsbewältigung
  • Persönlichkeitsentwicklung
  • Beziehungen
  • Selbstakzeptanz
  • Sinn und Ziele
  • Autonomie

Natürlich immer unter dem Aspekt, dass Aktionen nicht als isolierter Mechanismus aufzufassen, sondern, dass sie Ausdruck individueller Bedürfnisse, Emotionen und Zielvorstellungen sind. Die von aussen wahrgenommenen Resultate fungieren dabei als Objekt und Subjekt, als Ursprung und Instrument der Ausführung einer Persönlichkeit (vgl. Baumann, 6. Auflage 2015):

Wie selbstbestimmt bin ich? Verlasse ich mich auf meinen Kompass oder suche ich Anerkennung ausserhalb? Wie sieht es mit meiner Selbstwirksamkeit aus? Wie schaffe ich es, die eigenen Lebensumstände aktiv zu gestalten? Wie stelle ich kontinuierliches und persönliches Wachstum sicher? Sie sehen, einerseits Fragen über Fragen, wenn man sich jedoch mit einem Menschen einlässt und ihm zuhört, dann erkennt man die Muster, Werte, Normen, Prägungen, usw. im Hintergrund. Doch was hilft uns das in unseren Krisen?

Unser Gegenüber verstehen

Achten Sie sich einmal, wie oft wir jemandem begegnen und das Gesprochene des Gegenübers sofort bewerten. Wie kann der nur so denken? Wieso kann er nicht einsehen, dass ich recht habe? Ist ihm nicht klar, dass er mit seiner Ansicht komplett allein da steht? Es ist kaum möglich, jemandem ohne Wertung entgegenzutreten. Versuchen Sie es einmal. Das ist auch nicht weiter schlimm. Wenn jedoch aus einer Wertung, eine Bewertung oder Verurteilung wird, dann wird das Leben meistens etwas ungeniessbarer. Denn damit belasten wir uns selbst, weil wir mit dieser Person oder einer Meinung in Konflikt treten. Und ich kenne niemanden, der Konflikte wirklich gut findet, ausser Scheidungsanwälte und Richter und auch diese nur, weil sie damit ihr Geld verdienen.

Aber was gibt es denn für eine Alternative fragen Sie sich vielleicht? Es gibt die Möglichkeit, dass Sie ihr Gegenüber mit seiner Meinung wirklich verstehen können. Sprich, man hört sich gegenseitig zu und versucht zu hören, was hinter dem Gesagten ausgesprochen wird. Wenn jemand sagt, alle Impfgegner seien Ignoranten, dann versteckt sich hinter dieser Aussage vielleicht eine Angst vor einer Hospitalisierung oder sogar eine Todesangst. Wenn jemand sagt, alle Geimpften seien Selbstmordkandidaten oder herdenähnliche Gehorsame, dann versteckt sich dahinter vielleicht die genau gleiche Angst, sie äussert sich einfach anders. Wenn man sich nun die Mühe macht zu erfahren, was sich hinter dieser Angst versteckt, von wo sie kommt, kann ein gegenseitiges Verständnis aufkommen. Und so ist es mit allen Themen bei denen wir nicht einig sind mit unserem Gegenüber. Sie können davon ausgehen, dass wenn immer Sie etwas verärgert oder wütend macht, im Hintergrund (oder eben Untergrund = Unterbewusstsein) eine Kraft am Werk ist, die ihnen gerne etwas mitteilen möchte. Meistens versteckt sich dahinter ein Gefühl oder ein Erlebnis, welches noch nicht verstanden oder verarbeitet wurde. Und glauben Sie mir, es klopft so lange an, bis es wahrgenommen wird.

Reflektieren als Chance

Nun versteht man vielleicht auch etwas besser, warum die aktuelle Mental Coaching Klasse sich äussert und sagt, sie können mit ihrem Leben viel bewusster umgehen oder sie haben grosse Schritte darin gemacht, sich besser zu verstehen und ihr Leben so zu gestalten, wie sie es wollen. Denn sie lernen bewusst zu reflektieren. Einerseits ihr eigenes Leben, anderseits das Leben von völlig fremden Personen, die zu ihnen ins Coaching kommen und wiederum nach einem Coachingprozess, reflektieren sie ihr eigenes Verhalten im durchgeführten Prozess. Sie treten diesen Menschen mit einer Offenheit gegenüber und lassen sich auf einen Prozess ein, bei welchem sie dem Menschen auf Augenhöhe begegnen und in seinem individuellen Prozess begleiten. So verstehen sie immer besser, dass jeder, seine eigene Geschichte und somit auch seine eigene Wahrheit hat. Und diese Wahrheit ist für jeden so wahr wie er sie wahrnimmt. Jeder von uns hat seine eigene Wirklichkeit, seine eigene Vergangenheit und jeder von uns schaut eine Situation immer nur aus dem persönlichen Blickwinkel an, er kann gar nicht anders. Das Einzige was wir tun können ist, dass Bewusstsein für sich und das Umfeld zu stärken um, sofern es eine Erkenntnis gibt, eine Veränderung an- oder herzuleiten. Dies ist jedoch nur möglich, wenn diese Person das selbst versteht und sich wünscht, eine Veränderung zu vollziehen, ansonsten sind alle Bemühungen umsonst. Eine Veränderung ohne intrinsische Motivation ist meistens in der Praxis recht langwierig.

Im Fachjargon sprechen wir bei solchen Glaubensmustern von sozialen Einstellungen. Um solche Einstellungen verändern zu können, arbeitet der Coach mit der Kommunikation und geht dabei meist sehr strukturiert vor.

Er analysiert:

  • Den Zeitpunkt des Erwerbs einer Einstellung (Glaubensmuster aus der Kindheit sind beispielsweise stärker verankert als Einstellungen aus dem Erwachsenenalter)
  • Die persönliche Einschätzung der Wichtigkeit einer Einstellung (bin ich z.B. finanziell von einem Glaubensmuster abhängig, stosse ich diese Meinung nicht so schnell um)
  • Die Beziehung verschiedener Einstellungen untereinander (wenn ein Glaubenssatz einen weiteren deckt, dann ist er auch schwieriger zu ändern)
  • Die Persönlichkeitsmerkmale eines Individuums (Selbstwertgefühl oder Scham)
  • Die Wert- und Normvorstellungen, die in einer Gesellschaft bestehen (Abweichungen des Denkens an der Gesellschaft vorbei).

Der Kunde setzt sich dann in einem Gespräch intensiv mit sich und den Faktoren auseinander, die seine Leiden verursachen. Dadurch eröffnen sich dem Kunden neue Möglichkeiten sein eigenes Handeln und Erleben zu erkennen und bei Interesse zu verändern.

Coaching bedeutet immer Arbeit an sich selbst. Der Mental Coach steuert aufgrund seiner Fachkompetenz den Prozess, abgestimmt auf die individuelle Aufgabe und in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden. Der Coach versteht sich dabei als Prozessleiter zur Selbsthilfe, die den Kunden befähigt, kommende Krisen besser und wenn möglich ohne professionelle Hilfe zu bewältigen. Die Wirksamkeit von Coaching ist wissenschaftlich nachgewiesen und anerkannt.

Konflikte im Alltag

Falls Sie kein Interesse haben, gleich bei jedem Konflikt ein Seelenstriptease hinzulegen und an sich zu arbeiten, was ja auch niemand verlangt, hier trotzdem noch eine kleine Unterstützung für den aktuellen Umgang miteinander in dieser doch eher angespannten Situation. Friederich Glasl gab in den 80er Jahren ein Phasenmodell zur Eskalation als Möglichkeit vor (vgl. Glasl, Konfliktmanagement, 2020):

  • Wahrnehmung absichern. Die wichtigste Regel ist zunächst, die eigene Wahrnehmung des Gehörten abzuklären. Dies geschieht durch die Feedback- oder W-Fragen. Dadurch werden Missverständnissen vorgebeugt und Konflikte können schon im Keim erstickt werden.
  • Vertrauen, Achtung und Respekt. Man sollte dem Gegenüber immer Respekt und Vertrauen entgegenbringen. Prinzipiell sollte man vermeiden, mit Vorurteilen an eine Person heranzugehen. Achte auf die Bedürfnisse des anderen, frage gegebenenfalls nach, wenn die Bedürfnisse oder die Bedeutung von Äusserungen nicht erkannt werden.
  • Geh mit Offenheit in die Diskussion. Taktieren führt zu Vertrauensverlust und macht eine gemeinsame Lösung schwierig. Sei entschlossen, alles Mögliche für das Gelingen eines Vorhabens und die Lösung einer Konfliktsituation zu tun.
  • Menschen und Probleme trennen. Nicht der Mensch oder der Gesprächspartner ist das Problem, sondern die Meinungsunterschiede (Gerade aktuell wichtig in Familien mit Auseinandersetzungen bezüglich Corona). Versuche also, dies zu beachten und trenne das Problem vom Gesprächspartner. Dies ermöglicht, offen auf einen Gesprächspartner zuzugehen und Konflikte zu lösen.
  • Sachebene bearbeiten. Sammle mögliche Lösungen und alternative Wege. Beziehe dich in der Diskussion sachlich auf diese möglichen Lösungen. Berücksichtige möglichst die Meinungen aller beteiligten Personen.
  • Du/Ich-Botschaften: Ich-Botschaften informieren klar und eröffnen die eigene Gefühlsverfassung. Du-Botschaften weisen Schuld zu und verstärken die Fronten. Sie verursachen Schuldgefühle, können als Tadel und Herabsetzung verstanden werden. Dies kann vergeltende Gegenargumentationen provozieren. Argumentiere deshalb möglichst häufig mit Ich-Botschaften.

Wenn Sie gerne mal eine geführte Reflektion zu einem Thema erleben möchten oder auch Sie die Arbeit interessiert, andere in diesem Prozess zu begleiten, dann setzen Sie sich doch mit unseren Bildungsberatern in Verbindung.

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Der Autor

Thomas Schärer

Name: Thomas Schärer

Beruf: Eidg. Betrieblicher Mentor, Mental Coach

Website: thomas-schaerer.ch

Motto: «Wenn du dich bewegst, musst du wissen wohin. Wenn du dich nicht bewegst, dann musst du wissen, warum.» Holm Friebe 

Ausbildner in: Diplom Mental Coach, Diplom Life Balance Coach

Thomas Schärer bringt seine breite Erfahrung aus dem Spitzensport und als selbständiger Unternehmer und Führungsperson in seinen Unterricht und Beratungen. Die langjährige Selbstständigkeit und sein breites Einsatzgebiet brachten ihn auch an seine Grenzen. Doch genau an diesen Grenzen begann das persönliche Wachstum und der Zugang zu sich selbst. Eine Erfahrung, die er gerne an möglichst viele Personen weitergeben möchte. Thomas Schärer’s Stärken sind das Zuhören und sein Gehörtes auf den Punkt zu bringen. Mit seiner aufgestellten und positiven Art, motiviert und begeistert er gerne unsere Kunden. Mitzuerleben, wie Menschen über ihre Grenzen hinauswachsen und ihr wahres Potential entdecken, beflügelt Thomas Schärer immer wieder von neuem.