Was ist Achtsamkeit?
Das Wort Achtsamkeit ist in aller Munde. Überall gibt es Kurse, Seminare, Workshops und Ausbildungen dazu. Steht in der Kursausschreibung das Wort Achtsamkeit drin, dann sind die Chancen gut, dass der Kurs in Kürze ausgebucht ist.
Achtsamkeit ist für mich eine bestimmte Form von Aufmerksamkeit. Es ist die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Gegenwart, auf das Hier und Jetzt, auf den jetzigen Augenblick und dies, ohne zu urteilen. Achtsamkeit ist für mich ein Weg – eine Reise ins Innere, die sich möglicherweise früher oder später auch im Äusseren bemerkbar macht.
„Unser Leben besteht nur aus Augenblicken. Unser Leben ist ein einziges Aneinanderreihen von Augenblick, zu Augenblick, zu Augenblick. Wenn wir also den Augenblick verpassen, dann verpassen wir eigentlich das Leben.“
Warum also diesem jetzigen Augenblick nicht achtsam begegnen und ihm die volle Aufmerksamkeit schenken? Das ist gar nicht so einfach, denn unser Geist ist nicht dazu gemacht. Nur zu oft sind wir mit unseren Gedanken in der Vergangenheit gefangen, in dem, was schon geschehen ist, oder wir sind mit unseren Gedanken bereits in der Zukunft.
Kannst Du Deinen Geist in Achtsamkeit üben? Ja, das kannst Du. Wie jeden anderen Muskel im Körper kann man auch den „Achtsamkeitsmuskel“ trainieren. Die Magie in der ganzen Achtsamkeitspraxis liegt weder im Gegenstand noch in der Methode, sondern allein in Dir selbst, in Deinem Übungswillen.
Die formelle Achtsamkeitspraxis
Die formelle Achtsamkeitspraxis ist die spezifische Zeit, die Du für Dich jeden Tag reservierst, um Achtsamkeit zu praktizieren. Dies kann eine Atem- oder eine Gehmeditation sein, Autogenes Training, die progressive Muskelentspannung oder auch eine Kombination davon. Diese formelle Achtsamkeitspraxis integrierst Du ganz bewusst in Deinen Alltag. Du nimmst Dir jeden Tag diese Zeit, weil es Dir guttut und weil Du es Dir Wert bist. Es ist eine Art von Selbstfürsorge. Dein Geist kommt zur Ruhe – wie bei einem Reset vom Computer – und du fühlst Dich nachher wieder frisch, aktiviert und bereit, die nächste Aufgabe in Angriff zu nehmen.
Achtsamkeit im Alltag
Die formelle Achtsamkeitspraxis macht sich bei mir persönlich auch im Alltag bemerkbar, sie ist für mich zu einer Metaressource geworden. Die Achtsamkeitspraxis als Türöffner zu Ressourcen wie Energie, Klarheit in den Gedanken, Bewusstsein, Selbstwahrnehmung, Konzentration, Mitgefühl / Empathie und Präsenz. Ich bemerke es, mein Umfeld auch.
Hier ein Beispiel aus meinem Alltag
Achtsamkeit ist, wenn ich am Samstagmorgen die Strassenmusikant: in an der Strassenecke wahrnehme und kurz anhalte. Achtsamkeit ist, wenn ich für ein paar Minuten die ganze Aufmerksamkeit der Strassenmusikant: in schenke und mich von der Musik verzaubern lasse. Achtsamkeit ist, wenn ich mich anschliessend bei der Strassenmusikant: in mit einem Lächeln für diesen tollen Moment bedanke und als Zeichen der Wertschätzung ein 2-Franken-Stück in den Hut lege.
Übrigens, kennst Du die Geschichte vom Geigenspieler?
An einem kalten Januarmorgen stellte sich ein Mann an den Ausgang einer U-Bahn Station in Washington und begann, Geige zu spielen. Innerhalb von 45 Minuten konnten die Passant: innen sechs Stücke von Johann Sebastian Bach hören. Es war Rushhour, also kamen Tausende auf dem Weg zur Arbeit dort vorbei. In den ersten drei Minuten bemerkte ein älterer Mann, dass jemand Musik machte. Er ging langsamer, schaute einen Augenblick hinüber und ging dann weiter. Kurz darauf bekam der Geiger sein erstes Trinkgeld – eine Eindollarnote – die ihm von einer Frau vor die Füsse geworfen wurde, die nicht einmal stehen blieb, um zu hören, was er spielte. Kurz darauf lehnte sich jemand an eine Säule, blieb dort fünf Minuten stehen, schaute dann auf seine Uhr und eilte hinunter zu den Zügen. Der erste Mensch, der dem Geiger zuhören wollte, war ein kleiner Junge. Seine Mutter hatte es eilig und wollte weitergehen, aber er blieb beharrlich stehen. Es half nichts, er wurde weggezogen, schaute dabei aber immer wieder zurück. Andere Kinder blieben auch stehen, aber jedes Mal zogen die Eltern sie nach zwei oder drei Minuten ungeduldigen Wartens weg. Während der 45 Minuten, die er spielte, nahm der Geiger 32 Dollar ein und hatte sechs Zuschauer: innen. Als er aufhörte, gab es keinen Applaus und niemand forderte ihn auf, weiterzuspielen. Irgendwann sagte eine Frau, sie habe ihn am Vortag gesehen und meinte noch, sie bewundere seine Arbeit. Der Name des Geigers ist Joshua Bell, einer der weltbesten Geigenspieler und dieses Experiment wurde von der „Washington Post“ gefilmt. Zwei Tage vorher hatte Bell in einem ausverkauften Konzertsaal in Boston gespielt. Die kostengünstigsten Karten hatten hundert Dollar gekostet und auf dem Schwarzmarkt wurden die Tickets für ein mehrfaches angeboten. Im Bostoner Konzertsaal wie auch an der U-Bahn-Station spielte er auf einer Stradivari, deren geschätzter Wert 3.5 Millionen beträgt. Die Stücke, die er spielte, gelten als die schwierigsten, die Bach für Geige geschrieben hat.
Wie achtsam bist Du im Alltag unterwegs? Hättest Du beim Ausgang der U-Bahn Station in Washington diesen so unglaublich talentierten Geigenspieler wahrgenommen?
Vielleicht ja, vielleicht nicht. Aber vielleicht möchtest Du das nächste Mal so oder so etwas langsamer gehen, vielleicht sogar kurz anhalten und Dich für ein paar Minuten von der Musik verzaubern lassen. Es könnte sich lohnen, es könnte ein Weltstar sein.
Quellenangaben:
– (Jon Kabat-Zinn, Jeder Augenblick kann dein Lehrer sein, KnaurLeben)
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Der Autor
Name: Michele Bergantino
Beruf: Betrieblicher Mentor, Dipl. Mental Coach, Dipl. Autogener Trainer
Website: bergreich-coaching.ch
Motto: «Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft!»
Ausbildnerin: Zertifikat Mentales Training im Sport, Diplom Autogenes Training
Nach jahrelanger Erfahrung als Kundenberater in der Finanzbranche, entschied er sich einen neuen Weg zu gehen und die Unternehmung BergReich-Coaching zu gründen. Er begleitet Menschen in ihren persönlichen Themen und dies bereitet ihm viel Freude. Coach zu sein ist für ihn nicht nur ein Beruf, sondern seine Berufung. Aus genügend eigenen Erfahrungen weiss er, dass das Leben aus einem Auf und Ab besteht und genau deshalb hat es ihn dazu bewegt diesen neuen Schritt zu wagen.